831.30
Liechtensteinisches Landesgesetzblatt
Jahrgang 1965 Nr. 46 ausgegeben am 24. Dezember 1965
Gesetz
vom 10. Dezember 1965
über Ergänzungsleistungen zur Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenversicherung
Dem nachstehenden vom Landtag gefassten Beschluss erteile Ich Meine Zustimmung:
Art. 1
Anspruch auf Ergänzungsleistungen
1) In Liechtenstein wohnhafte liechtensteinische Bürger, denen eine Rente der Alters- und Hinterlassenenversicherung, eine Rente oder eine Hilflosenentschädigung der Invalidenversicherung zusteht, haben Anspruch auf Ergänzungsleistungen, soweit das anrechenbare Jahreseinkommen folgende Grenzen nicht erreicht:
für Alleinstehende
2 700 Franken
für Ehepaare
4 320 Franken
für Waisen
1 350 Franken
2) In Liechtenstein wohnhafte Ausländer und Staatenlose sind den liechtensteinischen Bürgern gleichgestellt, wenn sie sich unmittelbar vor dem Zeitpunkt, von welchem an die Ergänzungsleistung verlangt wird, ununterbrochen 15 Jahre in Liechtenstein aufgehalten haben.
3) Zu den Einkommensgrenzen für Alleinstehende und Ehepaare werden für Kinder, die einen Anspruch auf Zusatzrente der Alters- und Hinterlassenenversicherung oder der Invalidenversicherung begründen, die für Waisen massgebenden Grenzbeträge hinzugezählt; bei Witwen mit rentenberechtigten Waisen sowie bei zusammenlebenden Mutter- und Vollwaisen werden alle massgebenden Einkommensgrenzen zusammengezählt. Dabei werden jeweils die Einkommensgrenzen für zwei Kinder voll, für weitere zwei Kinder je zu zwei Dritteln und für die übrigen je zu einem Drittel angerechnet.
Art. 2
Anrechenbares Einkommen
1) Als Einkommen werden angerechnet:
a) Erwerbseinkünfte in Geld oder Naturalien;
b) Einkünfte aus beweglichem oder unbeweglichem Vermögen sowie ein Fünfzehntel des Reinvermögens, soweit es bei Alleinstehenden 8 000 Franken, bei Ehepaaren 16 000 Franken und bei Waisen sowie bei Kindern, die einen Anspruch auf Zusatzrente der Alters- und Hinterlassenenversicherung oder der Invalidenversicherung begründen, 5 500 Franken übersteigt; das unbewegliche Vermögen wird nur zur Hälfte angerechnet;
c) Renten, Pensionen und andere wiederkehrende Leistungen, einschliesslich der Renten der Alters- und Hinterlassenenversicherung sowie der Invalidenversicherung;
d) Leistungen aus Verpfründungsvertrag und ähnlichen Vereinbarungen;
e) öffentliche Fürsorgeleistungen;
f) Einkünfte und Vermögenswerte, auf die zur Erwirkung von Ergänzungsleistungen verzichtet worden ist.
2) Vom jährlichen Erwerbseinkommen und vom Jahresbetrag der Renten und Pensionen werden insgesamt 400 Franken bei Alleinstehenden und 650 Franken bei Ehepaaren und Personen mit rentenberechtigten oder an der Rente beteiligten Kindern ausser Rechnung gelassen und vom Rest zwei Drittel angerechnet. Die Renten der Alters- und Hinterlassenenversicherung sowie der Invalidenversicherung werden voll angerechnet.
3) Nicht als Einkommen werden angerechnet:
a) Unterhaltsleistungen und Verwandtenunterstützungen;
b) private Fürsorgeleistungen;
c) Hilflosenentschädigungen der Invalidenversicherung;
d) Stipendien und andere Ausbildungsbeihilfen.
4) Vom Einkommen dürfen abgezogen werden:
a) Gewinnungskosten;
b) Schuldzinsen;
c) Gebäudeunterhaltskosten;
d) Prämien für Lebens-, Unfall-, Invaliden- und Krankenversicherung bis zum jährlichen Höchstbetrag von 300 Franken bei Alleinstehenden und 500 Franken bei Ehepaaren und Personen mit rentenberechtigten oder an der Rente beteiligten Kindern sowie Beiträge an die Alters- und Hinterlassenenversicherung und Invalidenversicherung.
5) Das anrechenbare Einkommen von Ehegatten, von Personen mit rentenberechtigten oder an der Rente beteiligten Kindern sowie von zusammenlebenden Waisen wird zusammengerechnet. Bei Mutterwaisen wird das Einkommen des Vaters ebenfalls berücksichtigt.
Art. 3
Höhe der Ergänzungsleistung
1) Die jährliche Ergänzungsleistung hat dem Unterschied zwischen der nach diesem Gesetz massgebenden Einkommensgrenze und dem anrechenbaren Jahreseinkommen zu entsprechen.
2) Wurde die Rente der Alters- und Hinterlassenenversicherung oder der Invalidenversicherung wegen schuldhafter Herbeiführung des Versicherungsfalls verweigert oder gekürzt, so ist auch die Ergänzungsleistung zu verweigern oder entsprechend zu kürzen.
Art. 4
Sicherung der Leistungen
Die Leistungen im Sinne dieses Gesetzes sind unabtretbar, unverpfändbar und der Zwangsvollstreckung entzogen. Jede Abtretung oder Verpfändung ist nichtig.
Art. 5
Zuständigkeit und Verfahren
1) Die Entgegennahme der Gesuche, die Festsetzung und Auszahlung der Ergänzungsleistungen obliegt der Verwaltung der Liechtensteinischen Alters- und Hinterlassenenversicherung. Die Verwaltungskosten gehen zu Lasten des Landes.
2) Die Regierung hat das Verfahren der Festsetzung und Auszahlung sowie der Rückerstattung von Ergänzungsleistungen mit Verordnung zu regeln. Eine Rückerstattungspflicht darf nur für zu Unrecht bezogene Leistungen vorgesehen werden.
Art. 6
Verfügungen
Alle Verfügungen, die die Verwaltung der Liechtensteinischen Alters- und Hinterlassenenversicherung auf Grund dieses Gesetzes erlässt, sind schriftlich auszufertigen und mit einer Rechtsmittelbelehrung zu versehen.
Art. 7
Beschwerderecht
1) Gegen die aufgrund dieses Gesetzes ergangenen Verfügungen der Verwaltung der Liechtensteinischen Alters- und Hinterlassenenversicherung kann binnen 14 Tagen seit Zustellung Beschwerde an die Regierung erhoben werden. Die Beschwerde ist bei der Verwaltung der Liechtensteinischen Alters- und Hinterlassenenversicherung einzureichen.
2) Das Verfahren vor der Regierung richtet sich nach den Bestimmungen des Gesetzes über die allgemeine Landesverwaltungspflege.
Art. 8
Kostentragung
Die Aufwendungen für Ergänzungsleistungen werden je zu 60 % vom Land und zu 40 % von den Gemeinden getragen. Die Gemeinden werden nach Massgabe ihrer Einwohnerzahl auf Grund der jeweiligen letzten Erfassung durch das Amt für Statistik belastet.
Art. 9
Strafbestimmungen
Wer durch unwahre oder unvollständige Angaben oder in anderer Weise für sich oder andere eine Leistung im Sinne dieses Gesetzes erwirkt, die ihm nicht zukommt, wird, sofern nicht ein mit höherer Strafe bedrohter Tatbestand des Strafgesetzes erfüllt ist, vom Landgericht wegen Übertretung mit Arrest bis zu sechs Monaten oder mit Geldstrafe bis zu 10 000 Franken bestraft.
Art. 10
Wegfall der Leistungen
Die Ergänzungsleistungen im Sinne dieses Gesetzes fallen dahin, wenn die Minimalrenten der AHV und IV die Einkommensgrenzen (Art. 1 Abs. 1) übersteigen.
Art. 11
Inkrafttreten
Dieses Gesetz wird als dringlich erklärt und tritt am 1. Januar 1966 in Kraft.
gez. Franz Josef

gez. Dr. Gerard Batliner

Fürstlicher Regierungschef