822.101.1
Liechtensteinisches Landesgesetzblatt
Jahrgang 1968 Nr. 15 ausgegeben am 26. April 1968
Verordnung I
vom 8. Januar 1968
zum Gesetz über die Arbeit in Industrie, Gewerbe und Handel (Arbeitsgesetz)
Gestützt auf Art. 40 des Gesetzes vom 29. Dezember 1966, LGBl. 1967 Nr. 6, über die Arbeit in Industrie, Gewerbe und Handel (Arbeitsgesetz) verordnet die Regierung:
I. Geltungsbereich
1. Betrieblicher und persönlicher Geltungsbereich
Art. 1
Begriff des Arbeitnehmers
1) Als Arbeitnehmer gilt jede Person, die in einem unter das Gesetz fallenden Betrieb dauernd oder vorübergehend während der ganzen Arbeitszeit oder eines Teils davon beschäftigt wird.
2) Als Arbeitnehmer gelten auch Lehrlinge, Praktikanten, Volontäre und andere Personen, die hauptsächlich zur Ausbildung und zur Vorbereitung der Berufswahl im Betrieb tätig sind.
2. Ausnahmen vom betrieblichen Geltungsbereich
Art. 2
Landwirtschaftsbetriebe
Als Betriebe der landwirtschaftlichen Urproduktion im Sinne von Art. 2 Abs. 1 Bst. b des Gesetzes gelten Betriebe des Acker-, Wiesen-, Obst-, Wein- und des landwirtschaftlichen Gemüsebaues, der Beerenkultur, der Zucht- und Nutztierhaltung sowie die zu einem Landwirtschaftsbetrieb gehörenden privaten Waldungen.
Art. 3
Gartenbaubetriebe
1) Als Betriebe mit überwiegend gärtnerischer Pflanzenproduktion im Sinne von Art. 2 Abs. 1 Bst. c des Gesetzes gelten Gartenbaubetriebe, in denen die Mehrzahl der Arbeitnehmer in einer oder mehreren der folgenden Betriebsarten beschäftigt werden:
a) gärtnerischer Gemüsebau ;
b) Topfpflanzen- und Schnittblumenkultur;
c) Baumschulen und Obstbau, einschliesslich Stauden und Kleingehölze.
2) Auf Betriebe im Sinne von Abs. 1, die Lehrlinge ausbilden, sind die Art. 6, 7, 29 bis 32, 42, 43, 47 bis 49 und 51 bis 57 des Gesetzes anwendbar.
3. Ausnahmen vom persönlichen Geltungsbereich
Art. 4
Zum Personal internationaler Organisationen und öffentlicher Verwaltungen ausländischer Staaten im Sinne von Art. 3 Bst. b des Gesetzes gehören insbesondere:
a) das Personal der diplomatischen Missionen und der konsularischen Vertretungen ausländischer Staaten in Liechtenstein;
b) das Personal der ausländischen öffentlichen Verwaltungen und der ausländischen Betriebe des konzessionierten Eisenbahnverkehrs, unter Vorbehalt abweichender zwischenstaatlicher Vereinbarungen.
Art. 5
Höhere leitende Tätigkeit
Eine höhere leitende Tätigkeit im Sinne von Art. 3 Bst. c des Gesetzes übt aus, wer in einem Betrieb oder Betriebsteil über Entscheidungsbefugnis in wesentlichen Angelegenheiten verfügt und eine entsprechende Verantwortung trägt.
4. Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechtes, Betriebe des Staates und der Gemeinden
Art. 6
Dem Gesetz nicht unterstellte Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechtes, Betriebe des Staates und der Gemeinden
Das Gesetz ist gemäss Art. 2 Abs. 2 insbesondere nicht anwendbar auf die PTT-Betriebe und die Postautohalterbetriebe.
Art. 7
Dem Gesetz unterstellte Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechtes, Betriebe des Staates und der Gemeinden
Dem Gesetz unterstellt sind:
a) die Alters- und Hinterlassenenversicherung, die Invalidenversicherung, die Familienausgleichskasse;
b) die Liechtensteinische Landesbank;
c) die Liechtensteinischen Kraftwerke;
d) öffentliche Betriebe zur Herstellung, Verarbeitung oder Behandlung von Gütern, sowie zur Erzeugung, Umwandlung oder Übertragung von Energie;
e) öffentliche Betriebe für die Abfuhr, für die Verbrennung oder Verarbeitung von Kehricht, Betriebe der Wasserversorgung und der Abwasserreinigung.
5. Familienbetriebe
Art. 8
Auf jugendliche Familienmitglieder im Sinne von Art. 4 Abs. 1 des Gesetzes, die neben anderen Arbeitnehmern beschäftigt werden, sind Art. 29 Abs. 1 bis 3 sowie Art. 30 und 31 des Gesetzes anwendbar.
II. Industrielle Betriebe
1. Allgemeine Bestimmungen
Art. 9
Industrielle Betriebe im allgemeinen
1) Als Betriebe für die Herstellung, Verarbeitung oder Behandlung von Gütern im Sinne von Art. 5 Abs. 2 des Gesetzes gelten auch Betriebe für die Verbrennung und Verarbeitung von Kehricht, Betriebe der Wasserversorgung und der Abwasserreinigung.
2) Als Betriebe für die Erzeugung, Umwandlung oder Übertragung von Energie im Sinne von Art. 5 Abs. 2 des Gesetzes gelten Gaswerke, Elektrizitätswerke, mit Einschluss der Unterwerke, der Umformer- und Transformatorenstationen, Atomanlagen sowie Pump- und Speicherwerke von Rohrleitungsanlagen zur Beförderung flüssiger oder gasförmiger Brenn- und Treibstoffe, mit Einschluss von Druckreduzier- und Messstationen oder anderer dazugehöriger Betriebsteile.
Art. 10
Mindestzahl der Arbeitnehmer
1) Für die Mindestzahl gemäss Art. 5 Abs. 2 Bst. a des Gesetzes fallen alle Arbeitnehmer in Betracht, die in den industriellen Teilen des Betriebes beschäftigt werden, auch wenn sich die Betriebsteile in verschiedenen politischen Gemeinden befinden.
2) Für die Mindestzahl von Arbeitnehmern gemäss Abs. 1 fallen nicht in Betracht:
a) das technische und kaufmännische Büropersonal sowie andere Arbeitnehmer, die nicht für die Herstellung, Verarbeitung oder Behandlung von Gütern, oder für die Erzeugung, Umwandlung oder Übertragung von Energie beschäftigt sind;
b) Lehrlinge, Volontäre, Praktikanten sowie Personen, die nur vorübergehend im Betrieb tätig sind;
c) die überwiegend ausserhalb des industriellen Betriebes beschäftigten Arbeitnehmer.
Art. 11
Automatisierte Betriebe
Ein Verfahren gilt als automatisiert im Sinne von Art. 5 Abs. 2 Bst. b des Gesetzes, wenn technische Einrichtungen die Bedienung, Steuerung und Überwachung von Anlagen selbsttätig besorgen und planmässig ablaufen lassen, so dass normalerweise während des ganzen Verfahrens kein menschliches Eingreifen erforderlich ist.
Art. 12
Betriebe mit besonderen Gefahren
Als Betriebe im Sinne von Art. 5 Abs. 2 Bst. c des Gesetzes, die mit besonderen Gefahren für Leben oder Gesundheit der Arbeitnehmer verbunden sind, gelten insbesondere:
a) Betriebe, in denen explosionsgefährliche, besonders brandgefährliche oder besonders gesundheitsschädliche Stoffe verarbeitet oder gelagert werden;
b) andere Betriebe, in denen erfahrungsgemäss die Gefahr von Unfällen, von Krankheiten oder von Überbeanspruchung der Arbeitnehmer besonders gross ist.
2. Unterstellungsverfahren
Art. 13
Antrag auf Unterstellung
1) Das Amt für Industrie und Gewerbe hat jeden Betrieb oder Betriebsteil, der die Voraussetzungen eines industriellen Betriebes erfüllt, zu ermitteln und der Regierung schriftlich und begründet die Unterstellung unter die Sondervorschriften für industrielle Betriebe zu beantragen.
2) Der Arbeitgeber hat dem Amt für Industrie und Gewerbe in einem Fragebogen Auskunft über die für die Unterstellung massgebenden Tatsachen zu geben. Er kann sich dabei zur Frage der Unterstellung äussern. Der Fragebogen ist dem Antrag beizulegen.
Art. 14
Unterstellungsverfügung
Die Unterstellung bleibt in Kraft, bis sie rechtskräftig aufgehoben ist. Geht ein industrieller Betrieb auf einen anderen Arbeitgeber über, so dauert die Unterstellung fort und die Unterstellungsverfügung ist entsprechend abzuändern.
Art. 15
Aufhebung der Unterstellung
1) Erfüllt ein unterstellter Betrieb die Voraussetzungen gemäss Art. 5 Abs. 2 des Gesetzes nicht mehr, so hebt die Regierung die Unterstellung auf.
2) Die Unterstellung wird insbesondere aufgehoben, wenn seit einem Jahr weniger als sechs Arbeitnehmer im Betrieb beschäftigt werden oder diese Mindestzahl voraussichtlich nicht mehr erreicht wird.
3) Art. 13 Abs. 1 dieser Verordnung ist sinngemäss anwendbar.
Art. 16
Eröffnung der Verfügung
Die Verfügung über die Unterstellung eines Betriebes oder Betriebsteiles unter die Sondervorschriften für industrielle Betriebe oder über die Aufhebung der Unterstellung wird dem Arbeitgeber schriftlich und begründet eröffnet.
Art. 17
Mitteilungen von Änderungen
1) Das Amt für Industrie und Gewerbe hat der Regierung jede ihm zur Kenntnis gelangende Tatsache mitzuteilen, die zu einer Änderung der Unterstellungsverfügung Anlass geben kann.
2) Die Regierung gibt die Änderung der Unterstellungsverfügung dem Arbeitgeber bekannt.
3. Verzeichnis der industriellen Betriebe
Art. 18
Verzeichnisführende Behörde
1) Das Amt für Industrie und Gewerbe hat über die industriellen Betriebe oder Betriebsteile ein Verzeichnis zu führen.
2) Das Verzeichnis ist für die Abklärung, ob ein Betrieb oder Betriebsteil den Sondervorschriften unterstellt ist, öffentlich.
4. Plangenehmigung und Betriebsbewilligung
a) Plangenehmigungsverfahren
Art. 19
Gesuch
Das Gesuch um Genehmigung der geplanten Anlage im Sinne von Art. 8 Abs. 1 des Gesetzes ist zusammen mit den Plänen und ihrer Beschreibung beim Amt für Industrie und Gewerbe schriftlich einzureichen.
Art. 20
Pläne
1) Folgende Pläne sind im Doppel einzureichen:
a) ein Lageplan der Anlage und ihrer Umgebung mit Orientierung im Massstab des Grundbuchplanes, jedoch nicht kleiner als 1:1 000;
b) die Grundrisse sämtlicher Räume mit Angabe ihrer Bestimmung, einschliesslich der Aufenthalts-, Ess-, Wasch- und Baderäume, der Räume für Erste Hilfe, der Garderoben und Aborte sowie die Lage der Ausgänge, Treppen und Notausgänge;
c) die Fassadenpläne mit Angabe der Fensterkonstruktionen;
d) die zur Beurteilung des Baues erforderlichen Längs- und Querschnitte, wovon je einer durch jedes Treppenhaus;
e) bei Umbauten die Pläne der bisherigen Anlage, falls sie aus den neuen Plänen nicht ersichtlich ist.
2) Die Pläne gemäss Abs. 1 Bst. b bis d sind mit eingeschriebenen Massen im Massstab 1:50, 1:100 oder 1:200 vorzulegen.
3) Aus den Plänen müssen insbesondere ersichtlich sein die Lage der Arbeitsplätze, der Maschinen und der nachstehend genannten technischen Einrichtungen:
a) Dampfkessel, Dampfgefässe und Druckbehälter;
b) Heizungs- und Öltankanlagen, Lüftungsanlagen, Feuerungsanlagen für technische Zwecke, Gas- und Azetylenanlagen sowie Kläranlagen;
c) mechanische Transportanlagen;
d) Anlagen zur Verarbeitung und Lagerung von besonders brandgefährlichen, explosionsgefährlichen und gesundheitsschädlichen Stoffen;
e) Silos und Tankanlagen;
f) Farbspritzanlagen und Einbrennöfen;
g) Anlagen zur Erzeugung ionisierender Strahlen;
h) Feuerlösch- und Feuermeldeeinrichtungen.
Art. 21
Planbeschreibung
1) Die Planbeschreibung ist dreifach einzureichen und hat die folgenden Angaben zu enthalten:
a) die Art des geplanten Betriebes, die Zweckbestimmung der Räume und, soweit es zur Beurteilung des Gesuches nötig ist, ein Fabrikationsschema;
b) die Höchstzahl der voraussichtlich in den einzelnen Räumen beschäftigten Arbeitnehmer;
c) das Material der Fundamente, Wände, Fussböden, Decken, Dächer, Treppen, Türen und Fenster;
d) die technischen Einrichtungen im Sinne von Art. 20 Abs. 3 dieser Verordnung sowie die Beleuchtungsanlagen;
e) die Räume und Einrichtungen für die Verwendung von radioaktiven Stoffen;
f) die Art und Menge besonders brandgefährlicher, explosionsgefährlicher oder gesundheitsschädlicher Stoffe sowie der in die Aussenluft und in die Abwässer abzugebenden Stoffe;
g) die Art und Lage von Lärmquellen mit erheblicher Einwirkung auf die Arbeitnehmer und auf die Umgebung des Betriebes;
h) die Verpackungs- und Transportweise besonders brandgefährlicher, explosionsgefährlicher oder gesundheitsschädlicher Stoffe.
2) Können in der Planbeschreibung die gemäss Abs. 1 erforderlichen Angaben noch nicht oder nicht vollständig gemacht werden, so sind sie nachträglich, spätestens vor der Erstellung der betreffenden Einrichtungen beizubringen.
Art. 22
Plangenehmigung
1) Die Regierung entscheidet über das Plangenehmigungsgesuch.
2) Wird das Gesuch genehmigt, so stellt die Regierung dem Gesuchsteller den Entscheid samt einem Doppel der genehmigten Pläne und der Beschreibung zu.
b) Betriebsbewilligungsverfahren
Art. 23
Gesuch
Ist die Anlage, für die eine Plangenehmigung erteilt wurde, fertiggestellt, so hat der Arbeitgeber vor der Aufnahme der betrieblichen Tätigkeit beim Amt für Industrie und Gewerbe die Betriebsbewilligung schriftlich nachzusuchen.
Art. 24
Betriebsbewilligung
1) Das Amt für Industrie und Gewerbe entscheidet über das Betriebsbewilligungsgesuch. Erfordern ausreichende Gründe eine vorzeitige Aufnahme der betrieblichen Tätigkeit, so kann das Amt für Industrie und Gewerbe eine provisorische Betriebsbewilligung erteilen, wenn die notwendigen Massnahmen zum Schutz von Leben und Gesundheit der Arbeitnehmer und der Umgebung getroffen worden sind.
2) Ergibt die Prüfung des Gesuches, dass Mängel im Bau oder in der Einrichtung des Betriebes vorhanden sind, die bei der Plangenehmigung nicht vorausgesehen werden konnten, so kann das Amt für Industrie und Gewerbe, nach Anhörung des Arbeitgebers, die Bewilligung unter zusätzlichen Auflagen erteilen, sofern die festgestellten Mängel Leben oder Gesundheit der Arbeitnehmer gefährden oder in schädlicher oder lästiger Weise auf die Umgebung des Betriebes einwirken.
c) Besondere Bestimmungen
Art. 25
Umgestaltung innerer Einrichtungen
Die Plangenehmigung und Betriebsbewilligung im Sinne von Art. 8 des Gesetzes sind auch für die Umgestaltung innerer Einrichtungen des Betriebes nachzusuchen, wenn sie eine wesentliche Änderung der Arbeitsverfahren zur Folge hat oder wenn erhöhte Gefahren für Leben oder Gesundheit der Arbeitnehmer oder schädliche oder lästige Einwirkungen auf die Umgebung vorauszusehen sind.
Art. 26
Nachträglich festgestellte Übelstände
1) Hat der Betrieb seine Tätigkeit aufgenommen und wird festgestellt, dass die Anlage den Vorschriften nicht entspricht, so hat das Amt für Industrie und Gewerbe den Arbeitgeber darauf aufmerksam zu machen und ihn aufzufordern, innert einer bestimmten Frist den vorschriftsgemässen Zustand herzustellen.
2) Kommt der Arbeitgeber dieser Aufforderung nicht nach, so ist nach den Art. 48 und 49 des Gesetzes zu verfahren.
III. Arbeits- und Ruhezeit
1. Allgemeine Bestimmungen
Art. 27
Begriff der Arbeitszeit
1) Als Arbeitszeit gilt die Zeit, während der sich der Arbeitnehmer für Arbeitsleistungen zur Verfügung des Arbeitgebers zu halten hat. Der Weg zu und von der Arbeit gilt nicht als Arbeitszeit.
2) Bereitschaftsdienst, bei dem der Arbeitnehmer ausserhalb des Betriebes auf Abruf zur Verfügung des Arbeitgebers steht, ist soweit an die Arbeitszeit anzurechnen, als der Arbeitnehmer tatsächlich zur Arbeit herangezogen wird.
Art. 28
Verteilung der Arbeitszeit
Die wöchentliche Arbeitszeit kann auf die einzelnen Arbeitstage und die einzelnen Arbeitnehmer oder Gruppen von Arbeitnehmern gleichmässig oder zeitlich verschieden verteilt werden.
Art. 29
Pausen
1) Die Pausen können für einzelne Arbeitnehmer oder Gruppen von Arbeitnehmern gleichmässig oder zeitlich verschieden angesetzt werden.
2) Mindestpausen von einer halben Stunde oder weniger dürfen nicht aufgeteilt werden, längere Pausen nur ausnahmsweise.
3) Arbeitsplatz im Sinne von Art. 15 Abs. 2 des Gesetzes ist jeder Ort im Betrieb oder ausserhalb des Betriebes, an dem sich der Arbeitnehmer zur Ausführung der ihm zugewiesenen Arbeit aufzuhalten hat.
Art. 30
Sommer und Winter
1) Als Sommer im Sinne von Art. 10 Abs. 1 und Art. 16 Abs. 2 des Gesetzes gilt die Zeit vom 1. Mai bis 30. September; die übrige Zeit des Jahres gilt als Winter.
2) Vorbehalten bleiben abweichende Sonderbestimmungen gemäss Art. 27 des Gesetzes.
Art. 31
Berechnung des Lohnzuschlages
1) Der Lohnzuschlag für Überzeitarbeit, Hilfsarbeit, Nachtarbeit und Sonntagsarbeit ist bei Zeitlohn nach dem auf die Stunde berechneten Lohn, ohne Orts- und Haushaltungszulagen, zu bemessen.
2) Bei Akkordarbeit ist der Lohnzuschlag in der Regel nach dem in der Zahltagsperiode durchschnittlich erzielten Lohn, ohne Orts- und Haushaltungszulagen, zu bemessen.
3) Für die Bewertung des Naturallohnes sowie der Bedienungs- und Trinkgelder sind die Vorschriften der Gesetzgebung über die Alters- und Hinterlassenenversicherung sinngemäss anwendbar.
4) Sind für die gleiche Zeitspanne verschiedene Vorschriften des Gesetzes über die Ausrichtung von Lohnzuschlägen anwendbar, so ist der für den Arbeitnehmer günstigste Zuschlag auszurichten.
Art. 32
Entschädigung für Ruhezeit
Wird bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses die Ruhezeit im Sinne von Art. 20 und 21 des Gesetzes durch eine Geldleistung abgegolten, so ist für deren Bemessung Art. 31 dieser Verordnung anwendbar.
2. Verlängerung der wöchentlichen Höchstarbeitszeit
Art. 33
Verlängerung mit Ausgleich
1) Die wöchentliche Höchstarbeitszeit kann verlängert werden,
a) um höchstens vier Stunden für Arbeitnehmer mit unmittelbar oder mittelbar witterungsbedingtem Arbeitsausfall, insbesondere im Tief- und Hochbau, bei der Stein-, Kies-, Lehm- und Sandgewinnung, der Lehm- und Naturstein-Verarbeitung, mit Einschluss des Transportes und des Umschlags, sofern sie im Jahresdurchschnitt nicht überschritten wird;
b) um höchstens vier Stunden für Arbeitnehmer in Betrieben mit erheblichen und jahreszeitlich durch den Konsum oder durch den Anfall der Rohprodukte bedingten Schwankungen, insbesondere in Betrieben der Getränke- und Speiseeis-Herstellung, der Verarbeitung und Behandlung von Obst und Gemüse, mit Einschluss des Transportes und des Umschlags, sofern sie im Jahresdurchschnitt nicht überschritten wird. Saison- und Ausverkäufe fallen nicht unter den Begriff der jahreszeitlich bedingten Schwankungen;
c) um höchstens vier Stunden für Arbeitnehmer, denen innert zwei Wochen ein ganzer Werktag freigegeben wird, sofern sie im Durchschnitt von zwei aufeinanderfolgenden Wochen nicht überschritten wird;
d) um höchstens vier Stunden für Arbeitnehmer, die nach einer Bewilligung für drei- oder mehrschichtige Arbeit beschäftigt sind und denen innert drei Wochen wenigstens ein ganzer Werktag freigegeben wird, sofern sie im Durchschnitt von drei aufeinanderfolgenden Wochen nicht überschritten wird;
e) bei besonderem Arbeitsandrang um höchstens zwei Stunden für Büropersonal, technische und andere Angestellte, mit Einschluss des Verkaufspersonals in Grossbetrieben des Detailhandels, sofern sie im Durchschnitt von zwölf aufeinanderfolgenden Wochen nicht überschritten wird.
2) Der Arbeitgeber darf die Verlängerung der wöchentlichen Höchstarbeitszeit gemäss Abs. 1 ohne Bewilligung anordnen, wenn nicht nach einem bewilligungspflichtigen Stundenplan gearbeitet wird.
Art. 34
Verlängerung ohne Ausgleich
Sofern und solange zwingende Gründe es rechtfertigen, kann die Regierung die Verlängerung der wöchentlichen Höchstarbeitszeit um höchstens vier Stunden insbesondere für neu den Sondervorschriften für industrielle Betriebe unterstellte Betriebe bewilligen.
Art. 35
Überzeitarbeit
1) Überzeitarbeit im Sinne von Art. 12 des Gesetzes ist nur innerhalb der Grenzen der Tagesarbeit und nur soweit zulässig, als die Vorschriften des Gesetzes und der Verordnungen über die tägliche Höchstarbeitszeit und die tägliche Mindestruhezeit eingehalten werden. An Sonntagen und Ersatzruhetagen für Sonntagsarbeit darf keine Überzeitarbeit angeordnet werden.
2) Der Ausgleich von Überzeitarbeit durch Freizeit gemäss Art. 13 Abs. 2 des Gesetzes ist innert längstens acht Wochen vorzunehmen.
Art. 36
Hilfsarbeit
1) Als Hilfsarbeiten gelten ausser den Verrichtungen gemäss Art. 14 Abs. 2 des Gesetzes die folgenden Arbeiten:
a) Verrichtungen als Wächter, Portier oder Ausläufer, sofern sie nicht zur hauptsächlichen Tätigkeit des Arbeitnehmers gehören;
b) das Beladen oder Entladen von Fahrzeugen und Transporteinrichtungen, die dem Transport vom oder zum Betrieb dienen;
c) Verrichtungen, welche der eigentlichen Arbeit vorangehen oder ihr nachfolgen, soweit sie notwendig sind, um den Arbeitnehmern bei Arbeitsantritt die sofortige Aufnahme ihrer eigentlichen Arbeit zu ermöglichen;
d) Arbeiten, die ausnahmsweise bis zum ordentlichen Ende der täglichen Arbeit nicht fertiggestellt und aus technischen Gründen nicht unterbrochen werden können.
2) Hilfsarbeit im Sinne von Abs. 1 sowie Art. 14 Abs. 2 des Gesetzes darf während der Nacht und an Sonntagen nur geleistet werden, soweit zwingende Gründe sie rechtfertigen.
3) Ist Hilfsarbeit an mehreren aufeinanderfolgenden Sonntagen zu leisten, so darf der einzelne Arbeitnehmer innert vier Wochen nur an zwei Sonntagen dazu herangezogen werden.
4) Ausnahmsweise kann die in Art. 14 Abs. 3 des Gesetzes vorgesehene Ausgleichsfrist mit Genehmigung des Amtes für Industrie und Gewerbe verlängert werden.
3. Veränderte Anordnung der täglichen Arbeitszeit
Art. 37
Verschiebung der Grenzen der Tagesarbeit
Bei Verschiebung der Grenzen der Tagesarbeit ist den erwachsenen männlichen Arbeitnehmern eine tägliche Ruhezeit von mindestens zehn aufeinanderfolgenden Stunden zu gewähren. Sie kann einmal in der Woche auf acht Stunden herabgesetzt werden, wenn unmittelbar im Anschluss an die der verkürzten täglichen Ruhezeit folgende Arbeitszeit eine zusammenhängende wöchentliche Ruhezeit von mindestens 36 Stunden gewährt wird.
Art. 38
Nachtarbeit
1) Die Arbeitszeit ist so einzurichten, dass der einzelne Arbeitnehmer nicht länger als während sechs aufeinanderfolgenden Wochen Nachtarbeit zu leisten und an der Tagesarbeit und Nachtarbeit gleichmässig Anteil hat. Falls es die betrieblichen Verhältnisse zwingend erfordern, kann diese Dauer ausnahmsweise für einzelne Arbeitnehmer verlängert und von einem gleichmässigen Anteil an der Tages- und Nachtarbeit abgesehen werden.
2) Bei Nachtarbeit ist erwachsenen männlichen Arbeitnehmern eine tägliche Ruhezeit von mindestens zehn Stunden zu gewähren. Sie kann einmal in der Woche auf acht Stunden herabgesetzt werden, wenn unmittelbar im Anschluss an die der verkürzten Ruhezeit folgende Arbeitszeit eine zusammenhängende wöchentliche Ruhezeit von mindestens 36 Stunden gewährt wird.
Art. 39
Sonntagsarbeit
1) Als ganzer Sonntag im Sinne von Art. 20 Abs. 1 Satz 2 des Gesetzes gilt eine Zeitspanne von mindestens 24 aufeinanderfolgenden Stunden, die in jedem Fall die Zeit von 6 bis 16 Uhr umfassen muss. Wenn die 24 aufeinanderfolgenden Stunden so liegen, dass gewisse Arbeitsstunden auf die Zeit von 0 bis 6 Uhr oder von 16 bis 24 Uhr fallen, so unterstehen diese Arbeitsstunden ebenfalls der Bewilligungspflicht.
2) Fällt die Ersatzruhe von mindestens 24 aufeinanderfolgenden Stunden im Sinne von Art. 20 Abs. 1 Satz 1 des Gesetzes auf einen Werktag, so muss sie in jedem Fall die Zeit von 6 bis 20 Uhr umfassen.
Art. 40
Wöchentlicher freier Halbtag
1) Der wöchentliche freie Halbtag ist Arbeitnehmern zu gewähren, die nicht in der Nacht oder im Schichtenbetrieb arbeiten.
2) Der wöchentliche freie Halbtag gilt als gewährt, wenn der Arbeitnehmer bis mittags 12 Uhr oder von diesem Zeitpunkt an arbeitsfrei ist.
3) In den Wochen, in denen der freie Halbtag nicht gewährt wird, darf die wöchentliche Höchstarbeitszeit um höchstens vier Stunden überschritten werden.
4) Ausfallende Arbeitstage, die ausgeglichen werden, sowie Ersatzruhetage für Sonntagsarbeit sind keine arbeitsfreien Tage im Sinne von Art. 21 Abs. 1 des Gesetzes.
4. Schichtarbeit
Art. 41
Zweischichtige Tagesarbeit
Die zweischichtige Tagesarbeit ist so einzurichten, dass der einzelne Arbeitnehmer nicht länger als während sechs aufeinanderfolgenden Wochen in der gleichen Schicht zu arbeiten hat. In Ausnahmefällen kann eine Verlängerung dieser Dauer oder ein Verzicht auf den Schichtenwechsel bewilligt werden.
Art. 42
Drei- und mehrschichtige Arbeit
1) Wird in drei und mehr Schichten gearbeitet, jedoch über den Sonntag eine Ruhezeit von mindestens 24 aufeinanderfolgenden Stunden gewährt, so sind die Vorschriften des Gesetzes und dieser Verordnung über die Nachtarbeit und über die zweischichtige Tagesarbeit anwendbar.
2) Die Schichten sind in der Regel nach längstens sechs Wochen so zu wechseln, dass der einzelne Arbeitnehmer an den einzelnen Schichten gleichmässig Anteil hat. Falls es die betrieblichen Verhältnisse oder persönliche Gründe des Arbeitnehmers zwingend erfordern, kann diese Dauer ausnahmsweise verlängert und von einem gleichmässigen Anteil an den einzelnen Schichten abgesehen werden.
5. Ununterbrochener Betrieb
Art. 43
Anwendbare Bestimmungen
Auf den ununterbrochenen Betrieb sind die Vorschriften des Gesetzes und dieser Verordnung über die Nacht- und Sonntagsarbeit sowie über die zweischichtige Tagesarbeit anwendbar, soweit die Art. 44 und 45 dieser Verordnung nichts anderes bestimmen.
Art. 44
Arbeitszeit
1) Die wöchentliche Höchstarbeitszeit gemäss Art. 9 des Gesetzes ist im Durchschnitt von 16 Wochen einzuhalten. Diese Zeitspanne kann ausnahmsweise bis auf 20 Wochen verlängert werden.
2) Erfordern es die betrieblichen Verhältnisse, so kann die wöchentliche Höchstarbeitszeit für einzelne Wochen in der Weise verlängert werden, dass sie an sieben aufeinanderfolgenden Tagen in der Regel nicht mehr als 52 und ausnahmsweise nicht mehr als 60 Stunden beträgt.
3) Für den einzelnen Arbeitnehmer darf die Arbeitszeit innert 24 Stunden nicht mehr als neun Stunden betragen und muss, mit Einschluss der Pausen, innert eines Zeitraumes von zehn Stunden liegen. Wird zwischen Freitagabend und Montagmorgen in zwei Schichten gearbeitet, so kann die Arbeitszeit bis auf 12 Stunden verlängert werden, doch ist in diesem Falle eine Pause von zwei Stunden zu gewähren, die innerhalb der Schicht hälftig geteilt und gestaffelt angeordnet werden kann.
Art. 45
Ruhezeit
1) Den Arbeitnehmern sind im Kalenderjahr wenigstens 52 Ruhetage von mindestens 24 aufeinanderfolgenden Stunden zu gewähren.
2) Werden die Ruhetage in der Arbeitszeitbewilligung aufgeführt, so kann ausnahmsweise die Ruhezeit für einzelne Tage bis auf 20 aufeinanderfolgende Stunden herabgesetzt werden. Von den 52 Ruhetagen müssen wenigstens 26 auf einen Sonntag fallen und mindestens die Zeit von 6 bis 16 Uhr umfassen.
3) Beträgt die Arbeitszeit für den einzelnen Arbeitnehmer an keinem Tag mehr als acht Stunden, so kann die Zahl der Ruhetage, die auf einen Sonntag fallen müssen, bis auf 17 herabgesetzt werden.
4) Beträgt die durchschnittliche wöchentliche Arbeitszeit einschliesslich Pausen für den einzelnen Arbeitnehmer weniger als 46 Stunden und die Arbeitszeit an keinem Tag mehr als acht Stunden, so kann die Zahl der Ruhetage, die auf einen Sonntag fallen müssen, bis auf 13 herabgesetzt werden; doch müssen diese Ruhetage die Zeit von 0 bis 24 Uhr umfassen.
5) Die tägliche Ruhezeit darf einmal in der Woche auf acht Stunden verkürzt werden, ohne dass unmittelbar im Anschluss an die der verkürzten Ruhezeit folgende Arbeitszeit eine zusammenhängende wöchentliche Ruhezeit von mindestens 36 Stunden gewährt wird.
6. Arbeitszeitbewilligungen
Art. 46
Gesuch
1) Das Gesuch um eine Arbeitszeitbewilligung ist, abgesehen von Fällen geringfügiger Tragweite, schriftlich einzureichen und zu begründen und hat folgende Angaben zu enthalten:
a) die Bezeichnung des Betriebes oder der Betriebsteile, für welche die Bewilligung nachgesucht wird;
b) die Zahl der beteiligten Arbeitnehmer, getrennt nach Männern, Frauen und Jugendlichen;
c) den vorgesehenen Stundenplan, mit Einschluss der Ruhezeit und Pausen, sowie den Schichtenwechsel oder allfällige Abweichungen; für die Nachtarbeit, für die drei- und mehrschichtige Arbeit sowie für den ununterbrochenen Betrieb kann auf graphische Darstellungen von Stunden- und Schichtenplänen verwiesen werden;
d) die Dauer der Bewilligung.
2) Im Gesuch um Bewilligung vorübergehender Nacht- und Sonntagsarbeit ist ferner anzugeben, ob sich die beteiligten Arbeitnehmer damit einverstanden erklärt haben.
IV. Sonderschutz der jugendlichen Arbeitnehmer
1. Unzulässige Arbeiten und Beschäftigungen
Art. 47
Für alle Jugendlichen verbotene Arbeiten
Jugendliche im Sinne von Art. 29 Abs. 1 des Gesetzes dürfen zu folgenden Arbeiten nicht herangezogen werden:
a) Bedienung und Unterhalt von Betriebseinrichtungen, wie Maschinen, Antrieben und Transporteinrichtungen, und die Handhabung von Werkzeugen, sofern erfahrungsgemäss damit eine erhebliche Unfallgefahr verbunden ist oder die körperliche und geistige Leistungsfähigkeit der Jugendlichen dadurch übermässig beansprucht wird;
b) Arbeiten, bei denen eine erhebliche Brand-, Explosions-, Unfall-, Erkrankungs- oder Vergiftungsgefahr besteht;
c) Bedienung und Unterhalt von Dampf- und Heisswasserkesseln; ausgenommen sind:
aa) mit gasförmigen oder flüssigen Brennstoffen geheizte Dampfkessel, bei denen das Produkt aus dem Gesamtinhalt in Kubikmetern und dem Betriebsdruck in Atmosphären die Zahl 5 nicht übersteigt;
bb) elektrisch geheizte Dampfkessel, bei denen das unter Unterbst. aa) genannte Produkt die Zahl 5 übersteigt, sofern dieselben für einen um mindestens 2 Atmosphären höheren Druck gebaut sind, als der Betriebsdruck beträgt;
cc) Heisswasserkessel, die in Anlage, Inhalt und Druck den unter Unterbst. aa) und bb) genannten Dampfkesseln gleichzustellen sind.
d) Bedienung und Unterhalt von Druckbehältern mit gesundheitsschädlichem, brand- oder explosionsgefährlichem Inhalt;
e) Untertagearbeit im Stollenbau und in Bergwerken.
Art. 48
Für Jugendliche unter 16 Jahren verbotene Arbeiten
Vor dem vollendeten 16. Altersjahr dürfen Jugendliche ausser zu den in Art. 47 dieser Verordnung genannten Arbeiten auch zu den folgenden Arbeiten nicht herangezogen werden:
a) Arbeiten, die mit heftiger Erschütterung verbunden sind;
b) Arbeiten mit Schweiss- und Schneidbrennern und Bedienung der zugehörigen Gasapparate sowie Elektroschweissen;
c) Sortieren von Altmaterial, wie Hadern, Papier und Karton, sowie von ungereinigter und nicht desinfizierter Wäsche, ferner von Haaren, Borsten und Fellen;
d) Arbeiten bei grosser Hitze und bei grosser Kälte;
e) Heben, Tragen und Fortbewegen schwerer Lasten.
Art. 49
Verbotene Beschäftigung für Jugendliche
Jugendliche dürfen nicht beschäftigt werden:
a) vor dem vollendeten 16. Altersjahr in Betrieben der Filmvorführung, in Zirkus- und Schaustellungsbetrieben;
b) vor dem vollendeten 18. Altersjahr für die Bedienung von Gästen in Betrieben der Beherbergung, der Bewirtung und der Unterhaltung.
Art. 50
Bewilligung von Ausnahmen
1) Für bestimmte Lern- und Anlernberufe können aus zwingenden Gründen von der Regierung allgemein und vom Amt für Industrie und Gewerbe in Einzelfällen Ausnahmen von den Art. 47, 48 Bst. b und Art. 49 dieser Verordnung bewilligt werden. Solche Bewilligungen können mit besonderen Auflagen zum Schutz der Jugendlichen verbunden werden.
2) Wird die Lehrabschlussprüfung vor Erreichung der nach den Art. 47 und 49 Bst. b dieser Verordnung massgebenden Altersgrenzen bestanden, so gelten die darin aufgestellten Beschäftigungsverbote für die Ausübung des erlernten Berufes nicht.
2. Ärztliches Zeugnis
Art. 51
Die Arbeiten, zu denen Jugendliche nur aufgrund eines ärztlichen Zeugnisses zugelassen werden dürfen, werden von der Regierung bezeichnet. Aus dem Zeugnis muss hervorgehen, dass der Jugendliche für die vorgesehene Arbeit mit oder ohne Vorbehalt geeignet ist.
3. Beschäftigung von Jugendlichen unter 15 Jahren
a) Schulpflichtige Jugendliche
Art. 52
Beschäftigung Jugendlicher von mehr als 13 Jahren
1) Sofern Gesundheit und Schulleistung nicht beeinträchtigt werden und die Sittlichkeit gewahrt wird, dürfen schulpflichtige Jugendliche nach dem vollendeten 13. Altersjahr zu Botengängen ausserhalb des Betriebes, zu Handreichungen beim Sport sowie zu leichten Arbeiten in Betrieben des Detailhandels und in Forstbetrieben herangezogen werden.
2) Eine Beschäftigung gemäss Abs. 1 ist nur zulässig an Werktagen in der Zeit zwischen 6 und 20 Uhr, ausnahmsweise auch an Sonn- und Feiertagen bei besonderen Anlässen oder zu Handreichungen beim Sport.
3) Die Dauer der Beschäftigung darf höchstens betragen:
a) während der Schulzeit zwei Stunden an ganzen Schultagen, drei Stunden an schulfreien Halbtagen und insgesamt neun Stunden in der Woche;
b) während der Schulferien drei Stunden im Tag und insgesamt 15 Stunden in der Woche, wobei jedoch eine Woche ganz arbeitsfrei bleiben soll.
4) Die Beschäftigung von Kindern während der Schulferien ist bewilligungspflichtig. Die Bewilligung erteilt das Amt für Industrie und Gewerbe.
Art. 53
Beschäftigung Jugendlicher von mehr als 14 Jahren während der Ferien
1) Sofern Gesundheit und Schulleistung nicht beeinträchtigt werden und die Sittlichkeit gewahrt wird, dürfen schulpflichtige Jugendliche nach dem vollendeten 14. Altersjahr während längstens der Hälfte von wenigstens drei Wochen dauernden Schulferien mit leichten Arbeiten beschäftigt werden.
2) Eine Beschäftigung gemäss Abs. 1 ist nur an Werktagen zulässig und darf höchstens acht Stunden im Tag und insgesamt höchstens 40 Stunden in der Woche dauern. Beginn und Ende der Beschäftigung müssen zwischen 6 Uhr und 20 Uhr liegen. Die tägliche Ruhezeit muss mindestens zwölf aufeinanderfolgende Stunden betragen.
3) Art. 52 Abs. 4 ist anwendbar.
b) Schulentlassene Jugendliche
Art. 54
1) Das Amt für Industrie und Gewerbe kann im Einzelfall die regelmässige Beschäftigung von schulentlassenen Jugendlichen, die das 14. Altersjahr vollendet haben, vor dem vollendeten 15. Altersjahr bewilligen.
2) Dem Bewilligungsgesuch ist ein ärztliches Zeugnis beizulegen, das sich darüber ausspricht, ob der vorgesehenen Beschäftigung des Jugendlichen nicht Krankheiten, Gebrechen oder Entwicklungsstörungen entgegenstehen.
3) Das Amt für Industrie und Gewerbe darf die Bewilligung nur erteilen, wenn der Gesundheitszustand des Jugendlichen die vorzeitige Aufnahme einer regelmässigen Beschäftigung erlaubt, die vorgesehene Tätigkeit die Gesundheit des Jugendlichen nicht gefährdet und die Sittlichkeit gewahrt wird.
4) Auf schulentlassene Jugendliche, die vorzeitig eine regelmässige Beschäftigung aufnehmen, sind die Art. 55 bis 58 dieser Verordnung anwendbar.
4. Arbeits- und Ruhezeit für Jugendliche über 15 Jahren
Art. 55
Tägliche Ruhezeit
1) Jugendlichen von mehr als 15 Jahren ist eine tägliche Ruhezeit von mindestens zwölf aufeinanderfolgenden Stunden zu gewähren.
2) Beträgt die zusammenhängende wöchentliche Ruhezeit mindestens 36 Stunden, so darf die tägliche Ruhezeit einmal in der Woche auf elf Stunden herabgesetzt werden.
Art. 56
Hilfsarbeit
Jugendliche von mehr als 15 Jahren dürfen nur an Werktagen und nur innerhalb der Grenzen der Tagesarbeit zu Hilfsarbeit herangezogen werden.
Art. 57
Nachtarbeit
1) Für Jugendliche von mehr als 16 Jahren kann vom Amt für Industrie und Gewerbe Nachtarbeit bewilligt werden:
a) soweit sie für die Berufsbildung unentbehrlich ist;
b) soweit die Mitwirkung Jugendlicher zur Behebung einer Betriebsstörung infolge höherer Gewalt notwendig ist;
c) soweit es sich um Arbeitnehmer handelt, deren Lehrzeit vor dem 19. Altersjahr geendet hat.
2) Die Regierung kann die besonderen Voraussetzungen festsetzen, unter denen weitere Ausnahmen vom Verbot der Nachtarbeit bewilligt werden dürfen.
3) Mit der Bewilligung von Nachtarbeit können besondere Auflagen zum Schutz der Jugendlichen verbunden werden.
Art. 58
Sonntagsarbeit
1) Für Jugendliche von mehr als 16 Jahren kann vom Amt für Industrie und Gewerbe Sonntagsarbeit bewilligt werden:
a) soweit sie für die Berufsausbildung unentbehrlich ist;
b) soweit sie im betreffenden Beruf in nicht-industriellen Betrieben üblich ist;
c) soweit die Mitwirkung Jugendlicher zur Behebung einer Betriebsstörung infolge höherer Gewalt notwendig ist.
2) Mit der Bewilligung von Sonntagsarbeit ist die Auflage zu verbinden, dass den Jugendlichen während der vorhergehenden oder der folgenden Woche eine entsprechende, auf einen Werktag fallende Ersatzruhe gewährt wird. Fällt die Sonntagsarbeit auf den Vormittag und den Nachmittag oder dauert sie länger als fünf Stunden, so hat die Ersatzruhe mindestens 24 aufeinanderfolgende Stunden zu betragen.
V. Sonderschutz der weiblichen Arbeitnehmer
1. Unzulässige Arbeiten
Art. 59
Für alle weiblichen Arbeitnehmer verbotene Arbeiten
Weibliche Arbeitnehmer dürfen zu folgenden Arbeiten nicht herangezogen werden:
a) Bedienung und Unterhalt von Betriebseinrichtungen, wie Maschinen, Antrieben und Transporteinrichtungen, und die Handhabung von Werkzeugen, sofern erfahrungsgemäss für sie damit eine erhebliche Unfallgefahr verbunden ist oder die körperliche Leistungsfähigkeit weiblicher Arbeitnehmer dadurch übermässig beansprucht wird;
b) Arbeiten, die mit heftiger Erschütterung verbunden sind;
c) Arbeiten bei grosser Hitze und bei grosser Kälte;
d) Heben, Tragen und Fortbewegen schwerer Lasten;
e) Bedienung und Unterhalt von Dampf- und Heisswasserkesseln; ausgenommen sind die in Art. 47 Abs. 1 Bst. c, unter Unterbst. aa), bb) und cc) genannten Dampf- und Heisswasserkessel;
f) Bedienung und Unterhalt von Druckbehältern mit gesundheitsschädlichem, brand- oder explosionsgefährlichem Inhalt;
g) Untertagearbeit im Stollenbau und in Bergwerken.
Art. 60
Für schwangere Frauen und stillende Mütter unzulässige Arbeiten
1) Schwangere Frauen und stillende Mütter dürfen nicht zu Arbeiten herangezogen werden, die sich erfahrungsgemäss auf die Gesundheit, die Schwangerschaft oder das Stillen nachteilig auswirken.
2) Schwangere Frauen und stillende Mütter sind auf ihr Verlangen von Arbeiten zu befreien, die für sie beschwerlich sind.
2. Arbeits- und Ruhezeit
Art. 61
Tägliche Ruhezeit
Weiblichen Arbeitnehmern ist eine tägliche Ruhezeit von mindestens elf aufeinanderfolgenden Stunden zu gewähren.
Art. 62
Hilfsarbeit
1) Weibliche Arbeitnehmer dürfen nur an Werktagen und nur innerhalb der Grenzen der Tagesarbeit zu Hilfsarbeit herangezogen werden.
2) Art. 36 Abs. 2 des Gesetzes bleibt vorbehalten.
Art. 63
Nacht- und Sonntagsarbeit
1) Ausnahmsweise kann für weibliche Arbeitnehmer Nacht- und Sonntagsarbeit vom Amt für Industrie und Gewerbe bewilligt werden:
a) soweit sie für die Berufsbildung unentbehrlich ist;
b) soweit sie im betreffenden Beruf üblich ist;
c) soweit sie nötig ist, um einem sonst unvermeidlichen Verderb von Gütern vorzubeugen;
d) soweit die Mitwirkung weiblicher Arbeitnehmer zur Behebung einer Betriebsstörung infolge höherer Gewalt notwendig ist.
2) Die Regierung wird die besonderen Voraussetzungen festsetzen, unter denen weitere Ausnahmen vom Verbot der Nachtarbeit bewilligt werden dürfen.
3) Mit der Bewilligung von Nacht- und Sonntagsarbeit können besondere Auflagen zum Schutz der weiblichen Arbeitnehmer verbunden werden.
Art. 64
Beschäftigung ausserhalb der Grenzen der Tagesarbeit
Schwangere Frauen und stillende Mütter dürfen nur mit ihrem Einverständnis ausserhalb der Grenzen der Tagesarbeit beschäftigt werden.
VI. Betriebsordnung
Art. 65
Vereinbarte oder erlassene Betriebsordnung
1) Als frei gewählt im Sinne von Art. 37 Abs. 4 des Gesetzes gilt die Arbeitnehmervertretung, wenn die Wahl nach einer Wahlordnung erfolgt, die durch Gesamtarbeitsvertrag oder eine andere kollektive Vereinbarung festgelegt wird.
2) Wird die Betriebsordnung vom Arbeitgeber erlassen, so ist der Entwurf im Betrieb gut sichtbar anzuschlagen oder den Arbeitnehmern auszuhändigen. Innert vier Wochen können die Arbeitnehmer schriftlich dazu Stellung nehmen oder sind vom Arbeitgeber mündlich anzuhören. Wird die Stellungnahme der Arbeitnehmer schriftlich an den Arbeitgeber gerichtet, so hat er sie dem Genehmigungsgesuch an das Amt für Industrie und Gewerbe beizulegen. Die Arbeitnehmer können ihre Stellungnahme auch unmittelbar an das Amt für Industrie und Gewerbe einreichen; dieses gibt dem Arbeitgeber von ihrem sachlichen Inhalt Kenntnis.
Art. 66
Bekanntmachung
1) Die Betriebsordnung ist dem Amt für Industrie und Gewerbe in drei Ausfertigungen zuzustellen.
2) Die vom Amt für Industrie und Gewerbe genehmigte Betriebsordnung ist im Betrieb gut sichtbar anzuschlagen und den Arbeitnehmern auszuhändigen.
VII. Überwachung
Art. 67
Kontrolle und Beratung
Das Amt für Industrie und Gewerbe hat in den Betrieben über die Einhaltung der Vorschriften des Gesetzes und der Verordnungen Kontrollen durchzuführen und die Arbeitgeber und Arbeitnehmer bei der Anwendung des Gesetzes und der Verordnungen zu beraten.
VIII. Pflichten des Arbeitgebers
Art. 68
Zutritt zum Betrieb
1) Der Arbeitgeber hat den Vollzugs- und Aufsichtsorganen Zutritt zu allen Räumen des Betriebes, mit Einschluss der Ess-, Aufenthalts- und Unterkunftsräume, zu gewähren.
2) Die Vollzugs- und Aufsichtsorgane sind befugt, im Rahmen ihrer Aufgaben den Arbeitgeber und, ohne Anwesenheit von Drittpersonen, die im Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer über die Durchführung des Gesetzes, der Verordnungen und der Verfügungen zu befragen.
Art. 69
Verzeichnisse oder andere Unterlagen
1) Aus den Verzeichnissen oder anderen geeigneten Unterlagen, die der Arbeitgeber den Vollzugs- und Aufsichtsbehörden zur Verfügung zu halten hat, müssen ersichtlich sein:
a) Familienname, Vorname, Geburtsdatum, Heimatort, Art der Beschäftigung sowie Ein- und Austritt des einzelnen Arbeitnehmers;
b) die wöchentliche Arbeitszeit (Art. 9 und 11 des Gesetzes);
c) die von den einzelnen Arbeitnehmern in den einzelnen Zahltagsperioden und insgesamt im Laufe eines Kalenderjahres geleistete Überzeit- und Hilfsarbeit (Art. 12 und 14 des Gesetzes);
d) die gewährten wöchentlichen Ruhetage, soweit diese nicht regelmässig auf einen Sonntag fallen (Art. 20 des Gesetzes).
2) Die Verzeichnisse und Unterlagen gemäss Abs. 1 sind während mindestens zwei Jahren aufzubewahren.
Art. 70
Altersausweis
1) Für jeden Jugendlichen hat der Arbeitgeber einen Altersausweis zur Verfügung der Vollzugs- und Aufsichtsbehörden zu halten.
2) Der Altersausweis wird vom Zivilstandsbeamten des Geburts- oder Heimatortes, für nicht in Liechtenstein geborene Ausländer von der zuständigen Polizeibehörde unentgeltlich ausgestellt.
IX. Schluss- und Übergangsbestimmungen
Art. 71
Aufhebung bisheriger Bestimmungen
Mit dem Inkrafttreten dieser Verordnung ist die Verordnung vom 9. Mai 1966 betreffend Sonderschutz der jugendlichen und weiblichen Arbeitnehmer, LGBl. 1966 Nr. 11, aufgehoben.
Art. 72
Änderung bisheriger Bestimmungen
Art. 3 der Verordnung betreffend die Verhütung von Berufskrankheiten vom 6. Juli 1961 erhält folgende Neufassung:
Bei Arbeiten, die erfahrungsgemäss eine besondere Gefährdung aufweisen, dürfen Jugendliche unter 19 Jahren nur beschäftigt werden, wenn dies zu ihrer fachtechnischen Ausbildung notwendig ist.
Art. 73
Inkrafttreten
Diese Verordnung tritt am Tage ihrer Kundmachung in Kraft.

Fürstliche Regierung:

gez. Dr. Gerard Batliner

Fürstlicher Regierungschef