0.192.110.36 |
Liechtensteinisches Landesgesetzblatt |
Jahrgang 2000 |
Nr. 5 |
ausgegeben am 17. Januar 2000 |
Sechstes Zusatzprotokoll
zum Allgemeinen Abkommen über die Vorrechte und Immunitäten des Europarates
Abgeschlossen in Strassburg am 5. März 1996
Zustimmung des Landtages: 21. Oktober 1999
Inkrafttreten für das Fürstentum Liechtenstein: 21. Januar 2000
Die Mitgliedstaaten des Europarats, die dieses Protokoll unterzeichnen,
im Hinblick auf die am 4. November 1950 in Rom unterzeichnete Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (im Folgenden als "Konvention" bezeichnet);
im Hinblick auf das am 11. Mai 1994 in Strassburg unterzeichnete Protokoll Nr. 11 zur Konvention über die Umgestaltung des durch die Konvention eingeführten Kontrollmechanismus (im Folgenden als "Protokoll Nr. 11 zur Konvention" bezeichnet), mit dem ein ständiger Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte (im Folgenden als "Gerichtshof" bezeichnet) errichtet wird, der die Europäische Kommission und den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte ersetzt;
ferner im Hinblick auf Art. 51 der Konvention, der vorsieht, dass die Richter bei der Ausübung ihres Amtes die Vorrechte und Immunitäten geniessen, die in Art. 40 der Satzung des Europarats und den Übereinkünften vorgesehen sind;
eingedenk des am 2. September 1949 in Paris unterzeichneten Allgemeinen Abkommens über die Vorrechte und Befreiungen des Europarats (im Folgenden als "Allgemeines Abkommen" bezeichnet) und des Zweiten, Vierten und Fünften Protokolls dazu;
in der Erwägung, dass ein neues Zusatzprotokoll zum Allgemeinen Abkommen angebracht ist, um den Richtern des Gerichtshofs Vorrechte und Immunitäten zu gewähren,
haben Folgendes vereinbart:
Art. 1
Ausser den in Art. 18 des Allgemeinen Abkommens vorgesehenen Vorrechten und Immunitäten geniessen die Richter für sich selbst, ihre Ehegatten und minderjährigen Kinder die Vorrechte, Immunitäten, Befreiungen und Erleichterungen, die nach dem Völkerrecht diplomatischen Vertretern gewährt werden.
Art. 2
Im Sinne dieses Protokolls bezeichnet der Ausdruck "Richter" sowohl die nach Art. 22 der Konvention gewählten Richter als auch jeden nach Art. 27 Abs. 2 der Konvention von einem beteiligten Staat bestellten Richter ad hoc.
Art. 3
Um den Richtern bei der Ausübung ihres Amtes volle Redefreiheit und Unabhängigkeit zu sichern, wird ihnen auch nach Ablauf ihrer Amtszeit Immunität von der Gerichtsbarkeit in Bezug auf ihre mündlichen und schriftlichen Äusserungen sowie die von ihnen in Ausübung ihres Amtes vorgenommenen Handlungen gewährt.
Art. 4
Die Vorrechte und Immunitäten werden den Richtern nicht zu ihrem persönlichen Vorteil gewährt, sondern um die unabhängige Ausübung ihres Amtes zu gewährleisten. Nur das Plenum des Gerichtshofs ist befugt, die Immunität von Richtern aufzuheben; es hat nicht nur das Recht, sondern auch die Pflicht, die Immunität eines Richters in allen Fällen aufzuheben, in denen sie nach Auffassung des Plenums verhindern würde, dass der Gerechtigkeit Genüge geschieht, und in denen sie ohne Beeinträchtigung des Zwecks, für den sie gewährt wird, aufgehoben werden kann.
Art. 5
1) Die Art. 1, 3 und 4 finden Anwendung auf den Kanzler des Gerichtshofs und auf einen stellvertretenden Kanzler, der den Vertragsstaaten der Konvention förmlich als amtierender Kanzler notifiziert worden ist.
2) Art. 3 dieses Protokolls und Art. 18 des Allgemeinen Abkommens finden auf stellvertretende Kanzler des Gerichtshofs Anwendung.
3) Die in den Abs. 1 und 2 genannten Vorrechte und Immunitäten werden dem Kanzler und einem stellvertretenden Kanzler nicht zu ihrem persönlichen Vorteil gewährt, sondern um ihnen die Ausübung ihres Amtes zu erleichtern. Nur das Plenum des Gerichtshofs ist befugt, die Immunität seines Kanzlers und eines stellvertretenden Kanzlers aufzuheben; es hat nicht nur das Recht, sondern auch die Pflicht, diese Immunität in allen Fällen aufzuheben, in denen sie nach Auffassung des Plenums verhindern würde, dass der Gerechtigkeit Genüge geschieht, und in denen sie ohne Beeinträchtigung des Zwecks, für den sie gewährt wird, aufgehoben werden kann.
4) Der Generalsekretär des Europarats ist befugt, mit Zustimmung des Präsidenten des Gerichtshofs die Immunität anderer Mitarbeiter der Kanzlei nach Art. 19 des Allgemeinen Abkommens und unter gebührender Berücksichtigung der in Abs. 3 genannten Erwägungen aufzuheben.
Art. 6
1) Schriftstücke und Papiere des Gerichtshofs, der Richter und der Kanzlei sind, soweit sie sich auf die Tätigkeit des Gerichtshofs beziehen, unverletzlich.
2) Der amtliche Schriftwechsel und die sonstigen amtlichen Mitteilungen des Gerichtshofs, der Richter und der Kanzlei dürfen nicht zurückgehalten oder der Zensur unterworfen werden.
Art. 7
1) Dieses Protokoll liegt für die Mitgliedstaaten des Europarats, die das Allgemeine Abkommen unterzeichnet haben, zur Unterzeichnung auf; sie können ihre Zustimmung, gebunden zu sein, ausdrücken:
a) indem sie es ohne Vorbehalt der Ratifikation, Annahme oder Genehmigung unterzeichnen oder
b) indem sie es vorbehaltlich der Ratifikation, Annahme oder Genehmigung unterzeichnen und später ratifizieren, annehmen oder genehmigen.
2) Die Ratifikations-, Annahme- oder Genehmigungsurkunden werden beim Generalsekretär des Europarats hinterlegt.
Art. 8
1) Dieses Protokoll tritt am ersten Tag des Monats in Kraft, der auf einen Zeitabschnitt von einem Monat nach dem Tag folgt, an dem drei Vertragsparteien des Allgemeinen Abkommens nach Art. 7 ihre Zustimmung ausgedrückt haben, durch das Protokoll gebunden zu sein, beziehungsweise an dem Tag, an dem das Protokoll Nr. 11 zur Konvention in Kraft tritt, je nachdem, welcher Zeitpunkt der spätere ist.
2) Für jeden Vertragsstaat des Allgemeinen Abkommens, der dieses Protokoll später ohne Vorbehalt der Ratifikation, Annahme oder Genehmigung unterzeichnet oder es ratifiziert, annimmt oder genehmigt, tritt es einen Monat nach dem Tag der Unterzeichnung beziehungsweise nach dem Tag der Hinterlegung der Ratifikations-, Annahme- oder Genehmigungsurkunde in Kraft.
Art. 9
1) Jeder Staat kann bei der Unterzeichnung ohne Vorbehalt der Ratifikation, bei der Ratifikation oder jederzeit danach durch eine an den Generalsekretär des Europarats gerichtete Notifikation erklären, dass dieses Protokoll auf alle oder einzelne Hoheitsgebiete Anwendung findet, für deren internationale Beziehungen er verantwortlich ist und in denen die Konvention und die Protokolle dazu Anwendung finden.
2) Das Protokoll findet ab dem dreissigsten Tag nach Eingang der genannten Notifikation beim Generalsekretär des Europarats auf das oder die in der Erklärung bezeichneten Hoheitsgebiete Anwendung.
3) Jede nach Abs. 1 abgegebene Erklärung kann in Bezug auf jedes darin bezeichnete Hoheitsgebiet durch eine an den Generalsekretär gerichtete Notifikation zurückgenommen oder geändert werden. Die Rücknahme oder Änderung wird am ersten Tag des Monats wirksam, der auf einen Zeitabschnitt von einem Monat nach Eingang der Notifikation beim Generalsekretär folgt.
Art. 10
Der Generalsekretär des Europarats notifiziert den Mitgliedstaaten des Rates:
a) jede Unterzeichnung;
b) jede Hinterlegung einer Ratifikations-, Annahme- oder Genehmigungsurkunde;
c) jeden Zeitpunkt des In-Kraft-Tretens dieses Protokolls nach den Art. 8 und 9;
d) jede andere Handlung, Notifikation oder Mitteilung im Zusammenhang mit diesem Protokoll.
Zu Urkund dessen haben die hierzu gehörig befugten Unterzeichneten dieses Protokoll unterschrieben.
Geschehen zu Strassburg am 5. März 1996 in englischer und französischer Sprache, wobei jeder Wortlaut gleichermassen verbindlich ist, in einer Urschrift, die im Archiv des Europarats hinterlegt wird. Der Generalsekretär des Europarats übermittelt allen Mitgliedstaaten des Europarats beglaubigte Abschriften.
(Es folgen die Unterschriften)