0.721.291.021 |
Liechtensteinisches Landesgesetzblatt |
Jahrgang 1931 |
Nr. 10 |
ausgegeben am 2. Dezember 1931 |
Vertrag
zwischen dem Fürstentum Liechtenstein und der Republik Österreich über die Festlegung gemeinsamer Grundlagen für die Regulierung des Rheins von der schweizerisch-liechtensteinischen Staatsgrenze bis zur Mündung des Illflusses, sowie über die Regelung der Ableitung liechtensteinischer Binnengewässer auf liechtensteinischem und österreichischem Gebiete und über die damit zusammenhängende Regulierung des Spirsgrabens, des Frickgrabens und der Esche (samt einem Zusatzprotokoll vom 23. Juni 1931)
Wir Franz I. Fürst von und zu Liechtenstein etc. etc. etc.,
nach Einsicht und Prüfung des zwischen Unserem Bevollmächtigten, im Namen des Fürstentums Liechtenstein, und demjenigen des Bundespräsidenten der Republik Österreich am 23. Juni 1931 in Vaduz unter Ratifikationsvorbehalt abgeschlossenen "Vertrags zwischen der Republik Österreich und dem Fürstentum Liechtenstein über die Festlegung gemeinsamer Grundlagen für die Regulierung des Rheins von der schweizerisch-liechtensteinischen Staatsgrenze bis zur Mündung des Illflusses, sowie über die Regelung der Ableitung liechtensteinischer Binnengewässer auf liechtensteinischem und österreichischem Gebiete und über die damit zusammenhängende Regulierung des Spirsgrabens, des Frickgrabens und der Esche" welcher Vertrag vom liechtensteinischen Landtage am 7. Mai 1931 genehmigt worden ist und also lautet:
Vertrag
zwischen dem Fürstentum Liechtenstein und der Republik Österreich über die Festlegung gemeinsamer Grundlagen für die Regulierung des Rheins von der schweizerisch-liechtensteinischen Staatsgrenze bis zur Mündung des Illflusses, sowie über die Regelung der Abteilung liechtensteinischer Binnengewässer auf liechtensteinischem und österreichischem Gebiete und über die damit zusammenhängende Regulierung des Spirsgrabens, des Frickgrabens und der Esche
In der Absicht, die Regulierung des Rheins auf liechtensteinischem und österreichischem Gebiete bis zur Illmündung nach einheitlichen Gesichtspunkten fortzusetzen und die Durchführung des liechtensteinischen Binnenkanals und die Herstellung von Entwässerungsanlagen im Bereiche der liechtensteinisch-österreichischen Staatsgrenze zu regeln, haben
Seine Durchlaucht Fürst Franz I. von und zu Liechtenstein einerseits
und
der Bundespräsident der Republik Österreich anderseits
beschlossen, ein dahingehendes Abkommen zu treffen und haben zu diesem Zwecke ihre Bevollmächtigten ernannt, und zwar
Seine Durchlaucht Fürst Franz I. von und zu Liechtenstein:
Dr. Josef Hoop,
Fürstlicher Regierungschef,
der Bundespräsident der Republik Österreich:
Ingenieur Rudolf Holenia,
Sektionschef im Bundesministerium für Land und Forstwirtschaft,
welche, nachdem sie sich ihre in guter und gehöriger Form befundenen Vollmachten mitgeteilt haben, über folgende Bestimmungen übereingekommen sind:
Art. 1
1) Hinsichtlich der Ausgestaltung und Erhaltung der Wuhre und der Dämme des Rheins von der Illmündung aufwärts, sowie wegen Festsetzung der Höhen der Konstruktionsunterkanten der Rheinbrücken werden die beiden Vertragsstaaten jeweils im Einvernehmen vorgehen und sich zu diesem Zwecke die Ausbau- und Erhaltungsprogramme alljährlich gegenseitig zur Zustimmung übermitteln.
2) Falls innerhalb einer Frist von 3 Monaten gegen die Bauabsichten des einen Vetragsstaates keine Einwendung erfolgt, ist die Zustimmung des anderen Vertragsstaates als gegeben zu betrachten.
3) Durch fortlaufende Pegelbeobachtungen, jeweilige Aufnahme der Hochwasserlinie und periodische Aufnahmen der Rheinsohle sollen die zur Prüfung der Wasserstände und des Zustandes der Bauwerke erforderlichen Grundlagen gewonnen werden.
4) Die beiden Vertragsstaaten verpflichten sich, der Einrichtung und Ausgestaltung des Hochwassermeldedienstes und des Wasserwehrdienstes am Rhein besondere Obsorge zuzuwenden.
Art. 2
Die Fürstlich Liechtensteinische Regierung verpflichtet sich, im Interesse der ferneren Erhaltung der regulierten Rheinstrecke und in Hinsicht auf die notwendige Reinhaltung des Binnenkanals, in den seitlichen Zuflüssen des Rheins, die ihm unmittelbar oder mittelbar Geschiebe zuführen, Verbauungen und Anlagen auszuführen, die geeignet sind, die Geschiebeführung hintanzuhalten.
Art. 3
1) Die beiden Vertragsstaaten verpflichten sich, für die einwandfreie Erhaltung der Wuhre und Dämme am Rhein in der Vertragsstrecke (Art. 1) jederzeit Sorge zu tragen.
2) Die Fürstlich Liechtensteinische Regierung übernimmt es, das Wuhrwesen derart zu regeln, dass die Erhaltung der Dämme und Wuhre nicht den Gemeinden überlassen, sondern vom Staate selbst bewirkt wird.
Art. 4
1) Die Projekte für die Herstellung des liechtensteinischen Binnenkanals von Triesen abwärts bis zu seiner geplanten Mündung oberhalb des Matschelser Bergles und dessen allfällige spätere Umgestaltung durch Einbeziehung der oberen Strecke von Triesen bis Balzers, sowie für die Regulierung des Spirsgrabens bedürfen der Genehmigung beider Staaten und sind sodann für sie bindend.
2) Jede grundsätzliche Projektsänderung bedarf der einvernehmlichen Behandlung.
Art. 5
Bezüglich der Ausführung des liechtensteinischen Binnenkanals wird vereinbart:
a) diesem Kanale darf nur geschiebefreies Wasser zugeführt werden;
b) der Inangriffnahme des Binnenkanals in der Mittelstrecke von der liechtensteinisch-österreichischen Wuhrgrenze aufwärts bis zum Gampriner Damm und einer provisorischen Ausmündung des Kanals nächst der liechtensteinisch-österreichischen Wuhrgrenze wird in der Voraussetzung zugestimmt, dass dieser Zustand in angemessener Weise zeitlich begrenzt ist;
c) die Durchführung des Kanalteilstückes vom Gampriner Damm abwärts bis zur liechtensteinisch-österreichischen Wuhrgrenze samt der einstweiligen Mündung in den Rhein nächst der bezeichneten Wuhrgrenze hat bis Ende des Jahres 1935 zu erfolgen;
d) der Gampriner Damm ist in seiner Höhenlage auszugleichen; die für seine Abdichtung sowie für eine Verbesserung der landseitigen Einbindung erforderlichen Massnahmen sind ohne Verzug vorzukehren.
Art. 6
Nach Fertigstellung der Teilstrecke von der liechtensteinisch-österreichischen Wuhrgrenze bis zum Gampriner Damm wird nach Bedarf durch Vertreter beider Staaten überprüft werden, ob und welche Nachteile oder Schäden sich aus dem Bestande der geänderten Kanalanlage für das unterliegende Gelände ergeben. In Angelegenheit der Behebung etwa aufgetretener Nachteile wird durch zwischenstaatliche Verhandlungen zu klären sein, ob die Fortsetzung des Kanals bis zum Matschelser Bergle notwendig wird oder ob vielleicht durch Baumassnahmen geringeren Umfanges eine wirksame Sanierung möglich ist.
Art. 7
1) Für die Kosten aller zur Abfuhr der liechtensteinischen Binnengewässer notwendigen Kanalanlagen einschliesslich der Kosten der Projektsbeschaffung, des wasserrechtlichen Verfahrens, der Grundeinlösung und dergleichen und für die Erhaltung dieser Bauanlagen hat das Fürstentum Liechtenstein aufzukommen.
2) Vor Inangriffnahme des Kanalunternehmens muss dessen finanzielle Durchführung einschliesslich der Erhaltung sichergestellt sein.
Art. 8
Die Regulierung des Spirsgrabens ohne dessen Seitenzubringer wird seitens Österreichs längstens bis zum Zeitpunkte der Vollendung des liechtensteinischen Binnenkanals in der Teilstrecke Gampriner Damm - liechtensteinisch - österreichische Wuhrgrenze fertigzustellen sein.
Art. 9
1) Zu den nach dem einvernehmlich festgelegten Projekte de dato Bregenz, Oktober 1929, mit 689 000 S. veranschlagten Baukosten der Regulierung des Spirsgrabens von seiner Mündung bis zum Frickgraben, und zwar ohne dessen Zubringer, verpflichtet sich das Fürstentum Liechtenstein einen Baubeitrag von 25% der tatsächlichen Kosten zu übernehmen, jedoch nur bis zum Höchstbetrag von 150 000 Schweizer Franken (in Worten: Einhundertfünfzigtausend Schweizer Franken); dieser Baubetrag ist nach Massgabe des Baufortschrittes abzustatten.
2) Für die nach Abzug des Beitrages des Fürstentums Liechtenstein noch erübrigenden Kosten der auf österreichischem Gebiete gelegenen Teile der Spirsgrabenregulierung sowie für die Erhaltung des regulierten Spirsgrabens in dieser Strecke hat die Republik Österreich aufzukommen.
Art. 10
Die Kosten der Regulierung und Erhaltung des Frickgrabens im Zuge der Grenze zwischen Liechtenstein und Österreich werden nach einem noch zu vereinbarenden Projekte von beiden vertragschliessenden Staaten je zur Hälfte getragen werden.
Art. 11
Für die Regulierung der Esche wird seitens Österreichs eine Beitragsleistung zu den Baukosten auf Grund eines einvernehmlich zu verfassenden Projektes nach Massgabe des aus dieser Regulierung für das österreichische Gebiet sich ergebenden Nutzens grundsätzlich zugesichert.
Art. 12
1) Das Fürstentum Liechtenstein und die Republik Österreich erklären sich damit einverstanden, dass die Durchführung aller Arbeiten, welche nach Artikel 1 dieses Vertrages am Rhein bewirkt werden, jederzeit einer gegenseitigen Kontrolle unterzogen werden können, die von je einem seitens Liechtensteins und Österreichs zu bestimmenden technischen Organe gemeinsam ausgeübt wird.
2) Die näheren Bestimmungen über diese gegenseitige Bau- und Erhaltungskontrolle werden gesondert, jedoch vor Bauinangriffnahme getroffen.
3) Gleichartige Bestimmungen gelten auch für die Bau- und Erhaltungsarbeiten am liechtensteinischen Binnenkanal, am Spirs- und Frickgraben und an der Esche.
Art. 13
1) Können sich die beiden Vertragsstaaten über im Zuge der Baudurchführung zu treffenden Massnahmen oder aber bei Auslegung oder bei Anwendung einzelner Vertragsbestimmungen nicht einigen, so entscheidet ein Schiedsgericht, in das jeder Vertragsteil einen Schiedsrichter entsendet.
2) Der Obmann, der keinem der vertragschliessenden Staaten angehören darf, wird von beiden Regierungen im gemeinsamen Einverständnis bezeichnet.
3) Findet die gemeinsame Bezeichnung des Obmannes nicht innerhalb 6 Monaten, nachdem eine Partei die schiedsgerichtliche Erledigung des Streitfalles in Vorschlag gebracht hat, statt, so erfolgt die Wahl in sinngemässer Anwendung des in Art. 45 Abs. 4 ff., des Haager Abkommens zur friedlichen Erledigung internationaler Streitfälle von 1907 vorgesehenen Verfahrens.
Art. 14
1) Dieser Vertrag soll ratifiziert und die Ratifikationsurkunden sollen sobald wie möglich in Wien ausgetauscht werden. Der Vertrag tritt vier Wochen nach dem Austausche der Ratifikationsurkunden in Kraft.
2) Dieser Vertrag wurde in zwei übereinstimmenden Urschriften in deutscher Sprache ausgefertigt.
Zu Urkund dessen haben die Bevollmächtigten diesen Vertrag unterzeichnet und mit ihren Siegeln versehen.
Geschehen in Vaduz, am 23. Juni 1931.
Dr. Josef Hoop m. p.
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Ing. Rudolf Holenia m. p.
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erklären den vorstehenden Vertrag als ratifiziert und in allen Teilen in Kraft erwachsen und versprechen im Namen des Fürstentums Liechtenstein, denselben, soweit es von Uns abhängt, jederzeit gewissenhaft zu beobachten.
Zu Urkund dessen ist gegenwärtige Ratifikation von Uns unterzeichnet und vom Chef Unserer Regierung gegengezeichnet sowie mit dem Staatssiegel des Fürstentums Liechtenstein versehen worden.
So geschehen in Vaduz, am 3. September 1931.
gez. Franz
gez. Dr. Josef Hoop
Fürstlicher Regierungschef
aufgenommen am 23. Juni 1931 bei der Fürstlich Liechtensteinischen Regierung in Vaduz.
ist die Vereinbarung auf Grund des Art. 12 des zwischen dem Fürstentum Liechtenstein und der Republik Österreich abgeschlossenen Staatsvertrages über die Festlegung gemeinsamer Grundlagen für die Regulierung des Rheins von der schweizerisch-liechtensteinischen Staatsgrenze bis zur Mündung des Illflusses, sowie über die Regelung der Ableitung liechtensteinischer Binnengewässer auf liechtensteinischem und österreichischem Gebiete und über die damit zusammenhängende Regulierung des Spirsgrabens, des Frickgrabens und der Esche.
Die beidseitigen zur Unterfertigung des vorbezeichneten Staatsvertrages bevollmächtigten Delegierten haben sich hinsichtlich der Bau- und Erhaltungskontrolle geeinigt wie folgt:
1. Während der Durchführung der im Staatsvertrage genannten Arbeiten haben die von den beiden Staaten bestimmten technischen Organe wenigstens einmal im Monate die Baustellen gemeinsam zu besichtigen und zu erheben, ob die Arbeiten gemäss dem genehmigten Projekte und gemäss dem Staatsvertrage bewirkt werden.
Den hierüber aufgenommenen Befund hat jedes Organ seiner vorgesetzten Stelle behufs allfälliger weiterer Behandlung zur Kenntnis zu bringen.
2. Zur Sicherstellung der klaglosen Erhaltung der im Staatsvertrage genannten Bauten haben die beidseitigen technischen Organe bedarfsgemäss, zumindest jedoch einmal im Jahre, sämtliche nach dem Staatsvertrage in Betracht kommenden Gewässerstrecken und Anlagen gemeinsam zu begehen und über die hiebei gemachten Wahrnehmungen, die in zwei Urschriften festzuhalten sind, ihren vorgesetzten Stellen zu berichten.
3. Jeder Staat hat für die Beibringung jener Unterlagen, die zur Beurteilung der für sein Gebiet massgebenden Verhältnisse notwendig sind, durch sein Organ vorzusorgen.
4. Die Auslagen für die erforderlichen technischen Erhebungen trägt jeder Staat für sein Gebiet. Desgleichen hat auch jeder Staat die Bereisungskosten für sein Organ zu bestreiten.
5. Über allfällig bei den Begehungen als notwendig erkannte Massnahmen sind die entsprechenden Anträge zu stellen, für deren weitere Behandlung die einschlägigen Bestimmungen des Staatsvertrages Anwendung zu finden haben.
Dieses Protokoll wird in zwei Originalen ausgefertigt und durch die Unterzeichnung seitens der beiden Bevollmächtigten als verbindlich erklärt.
Der Bevollmächtigte des Fürstentums Liechtenstein:
Dr. Josef Hoop m. p.
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Der Bevollmächtigte der Republik Österreich:
Ing. Rudolf Holenia m. p.
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