172.101.1 |
Liechtensteinisches Landesgesetzblatt |
Jahrgang 1994 |
Nr. 14 |
ausgegeben am 13. April 1994 |
Verordnung
vom 8. Februar 1994
über die Geschäftsordnung der Regierung
Aufgrund von Art. 84 der Verfassung vom 5. Oktober 1921, LGBl. 1921 Nr. 15
1, in der Fassung des Verfassungsgesetzes vom 3. Februar 1965, LGBl. 1965 Nr. 22, verordnet die Regierung:
I. Allgemeine Bestimmungen
Art. 1
Regelungsbereich
Diese Verordnung regelt in Ausführung der einschlägigen Bestimmungen der Verfassung das Verfahren für die Vorbereitung und Durchführung der Regierungssitzungen und für die Ausfertigung und Protokollierung der Regierungsbeschlüsse.
Art. 2
Regierungssekretär
1) Der Regierungssekretär hat dem Regierungschef und der Kollegialregierung bei der Vorbereitung und Durchführung der Regierungssitzungen die erforderliche organisatorische Unterstützung zu geben.
2) Der Regierungssekretär unterstützt die Kollegialregierung bei der Planung der Termine. Die Regierung kann dem Regierungssekretär die Koordination in Sachfragen übertragen.
II. Vorbereitung der Ressortanträge
Art. 3
Vorbearbeitung der Ressortanträge
Die Vorbearbeitung der Ressortanträge erfolgt soweit als möglich in den Amtsstellen der Landesverwaltung.
Art. 4
Weisungen der Regierung, Aufgaben der Leiter der Amtsstellen
1) Die Regierung erlässt allgemein gültige Weisungen über die Vorarbeit in den Amtsstellen. Jedes Regierungsmitglied sorgt zudem über ressort- und amtsspezifische Weisungen für eine gehörige Ausarbeitung der Entscheidungsgrundlagen.
2) Die Leiter der Amtsstellen sind verantwortlich für die Begründung der Anträge, für die Führung und Vollständigkeit der Akten sowie für die Vorformulierung der Regierungsbeschlüsse. Sie entscheiden über die Rechte ihrer Mitarbeiter bei der Antragstellung an die Regierung und über die Weiterleitung von Anträgen und Akten an das zuständige Ressort.
Art. 5
Ressortanträge
1) Die Ressorts bereiten die Anträge an die Regierung vor.
2) Über die Organisation des Arbeitsablaufes entscheidet der Ressortinhaber. Gelangt er zur Auffassung, dass eine Angelegenheit ausreichend überprüft, die Akte vollständig zusammengetragen und der Antrag vorschriftsgemäss ausgearbeitet ist, setzt er ihn auf die Traktandenliste für die nächste Regierungssitzung.
3) Der Ressortinhaber entscheidet in seinem Bereich über die Rechte bei der Antragstellung an die Kollegialregierung.
Art. 6
Traktandierung
1) Jedes Regierungsmitglied hat das Recht, einen in seinen Ressortbereich fallenden Beratungsgegenstand auf die Traktandenliste für die Regierungssitzung zu setzen.
2) Wenn ein Beratungsgegenstand in der nächsten Regierungssitzung behandelt werden soll, muss er vor Traktandenschluss, das ist vor Freitag mittags 10.00 Uhr auf die Traktandenliste gesetzt sein. Ausnahmen sind in Art. 7, Art. 14 Abs. 1 und Art. 21 geregelt.
Art. 7
Dringliche Anträge
1) Muss in der Zeit zwischen Traktandenschluss und Beginn der Regierungssitzung ein Antrag eingebracht werden, über den nicht erst in der darauffolgenden Sitzung entschieden werden kann, ist ein dringlicher Antrag zulässig.
2) Ein dringlicher Antrag kann vom zuständigen Regierungsmitglied eingebracht werden, wenn er die Voraussetzungen von Art. 5 Abs. 2 erfüllt.
3) Über die Zulässigkeit von dringlichen Anträgen entscheidet die Kollegialregierung.
Art. 8
Akteneinsicht
1) In der Zeit zwischen Traktandenschluss und Beginn der Regierungssitzung sind die Akten zur Einsichtnahme aufzulegen.
2) Anspruch auf Akteneinsicht haben die Regierungsmitglieder und ihre Stellvertreter, der Regierungssekretär und die Ressortsekretäre.
3) Die Regierung legt den Terminplan für die Akteneinsicht fest.
Art. 9
Koordinationsverfahren
1) Wenn ein Beratungsgegenstand in den Zuständigkeitsbereich mehrerer Ressorts fällt, ist von der Regierung das federführende Ressort festzulegen.
2) Das federführende Ressort führt das Koordinationsverfahren durch, holt bei anderen Ressorts und bei Amtsstellen die Stellungnahmen ein und fasst das Ergebnis in einem Bericht und Antrag an die Kollegialregierung zusammen.
Art. 10
Einladung
1) Der Regierungschef lädt die Regierungsmitglieder zur Regierungssitzung ein.
2) Kann ein Regierungsmitglied an einer Regierungssitzung nicht teilnehmen, sorgt es dafür, dass sein Stellvertreter in seine Funktion eintritt.
Art. 11
Zustellung der Traktandenliste
1) Gleichzeitig mit der Einladung zur Regierungssitzung wird die Traktandenliste zugestellt.
2) Der Regierungssekretär sorgt dafür, dass die Regierungsmitglieder, die stellvertretenden Regierungsmitglieder und die von der Regierung bestimmten Stellen die Traktandenliste zugestellt erhalten.
Art. 12
Arbeitsliste
Mit der Traktandenliste wird den Regierungsmitgliedern, dem Regierungssekretär und den Ressortsekretären die Arbeitsliste zugestellt.
Art. 13
Liste der dringlichen Anträge
Unmittelbar vor Sitzungsbeginn wird die Liste der dringlichen Anträge erstellt. Diese Liste wird vom Regierungssekretär zu Beginn der Regierungssitzung verteilt.
Art. 14
Sitzungstermin
1) Die Regierungssitzungen finden in der Regel wöchentlich am Dienstag statt. Über die Verlegung der Regierungssitzung und allenfalls des Traktandenschlusses auf einen anderen Wochentag entscheidet die Kollegialregierung. Die Kollegialregierung bestimmt auch die Wochen, in denen keine Regierungssitzungen stattfinden.
2) Der Regierungschef ordnet ausserordentliche Regierungssitzungen an, wenn die anstehenden Geschäfte nicht in der wöchentlichen Sitzung erledigt werden können. Eine ausserordentliche Regierungssitzung ist vom Regierungschef zudem anzuordnen, wenn dies von zwei Regierungsmitgliedern verlangt wird.
Art. 15
Organisation der Regierungssitzung
Die Organisation der Regierungssitzung ist Angelegenheit des Regierungschefs. Er bestimmt, in welcher Reihenfolge die Beratungsgegenstände behandelt werden und eröffnet und schliesst die Debatte zu den einzelnen Traktandenpunkten. Art. 20 bleibt vorbehalten.
Art. 16
Abstimmungsmodus
Die Abstimmung über die einzelnen Traktandenpunkte erfolgt in der Regel durch Umfrage des Vorsitzenden. Wird zu einem Traktandenpunkt ausdrücklich eine namentliche Abstimmung verlangt, gibt zuerst der zuständige Ressortinhaber seine Stimme ab, danach die übrigen Regierungsmitglieder nach dem Lebensalter, und zwar die älteren vor den jüngeren. Der Vorsitzende gibt seine Stimme in jedem Fall zuletzt ab.
Art. 17
Ausstand und Ausschluss
1) Die Mitglieder der Regierung sind von der Beratung und Beschlussfassung in der Kollegialregierung ausgeschlossen:
a) in Sachen, in welchen sie selbst Partei sind oder in Ansehung deren sie zu einer der Parteien in dem Verhältnisse eines Mitberechtigten, Mitverpflichteten oder Rückgriffspflichtigen stehen;
b) in Sachen ihrer Verlobten, ihrer Ehegatten, ihrer eingetragenen Partner, ihrer faktischen Lebenspartner oder solcher Personen, welche mit ihnen in gerader Linie verwandt oder verschwägert sind oder mit welchen sie in der Seitenlinie bis zum vierten Grade verwandt oder im zweiten Grade verschwägert sind;
2
c) in Sachen ihrer Wahl- und Pflegeeltern, ihrer Wahl- oder Pflegekinder, ihrer Mündel oder Pflegebefohlenen;
d) in Sachen, in denen sie als Bevollmächtigte, Verwalter oder Geschäftsführer einer Partei oder in ähnlicher Art bestellt waren oder noch sind;
e) in Sachen, in welchen sie bei einer untergeordneten Gemeinde- oder Verwaltungsbehörde an der Erlassung der angefochtenen Verfügung oder Entscheidung teilgenommen haben oder als Zeuge oder Sachverständiger tätig gewesen sind.
2) Aus welchen Gründen ein Regierungsmitglied von der Beratung und Beschlussfassung in der Regierungssitzung ausgeschlossen ist, richtet sich im übrigen nach Art. 6 ff des Gesetzes vom 21. April 1922 über die allgemeine Landesverwaltungspflege, LGBl. 1922 Nr. 24.
Art. 18
Vertraulichkeit und Information der Öffentlichkeit
1) Die Sitzungen der Regierung sind nicht öffentlich. Die Regierungsmitglieder und ihre Stellvertreter sowie die Beamten und Angestellten, welche bei der Vorbereitung, Durchführung und Nachbearbeitung der Regierungssitzung mitwirken, haben über die ihnen mit der Beratung und Beschlussfassung bekannt gewordenen Angelegenheiten unter Vorbehalt von Abs. 2 Stillschweigen zu wahren.
2) Die Regierung informiert die Öffentlichkeit über ihre Vorhaben, ihre Tätigkeit und ihre Beschlüsse, soweit dafür ein allgemeines Interesse besteht und durch die Information keine wesentlichen öffentlichen und privaten Interessen verletzt werden.
3) Die Regierung erlässt Richtlinien über die Information der Öffentlichkeit durch die Kollegialregierung, durch die einzelnen Regierungsmitglieder und die Beamten.
Art. 19
Beiladung von Beamten
Die Regierung kann Beamte und verwaltungsexterne Experten zur Beratung in die Regierungssitzung vorladen.
Art. 20
Ordnungsanträge
Jedes Regierungsmitglied ist berechtigt, Ordnungsanträge zu stellen. Ein Ordnungsantrag kann sowohl die Reihenfolge der Beratung in der laufenden Regierungssitzung als auch die Verschiebung auf eine spätere Regierungssitzung beinhalten. Zudem kann ein Regierungsmitglied beantragen, dass die Kollegialregierung einem nach der Geschäftsverteilung zuständigen anderen Regierungsmitglied den Auftrag erteilt, ein bestimmtes Geschäft zu behandeln und darüber in angemessener Frist Antrag zu stellen.
Art. 21
Zirkularbeschlüsse
1) In der Zeit zwischen zwei Regierungssitzungen können in ausserordentlichen Fällen Zirkularbeschlüsse gefasst werden. Zirkularbeschlüsse sind nur zulässig, wenn eine Entscheidung nicht bis zur nächsten Regierungssitzung aufgeschoben werden kann.
2) Zur Gültigkeit eines Zirkularbeschlusses ist die Zustimmung aller Regierungsmitglieder erforderlich. Ist die Einholung der Zustimmung eines Regierungsmitgliedes nicht möglich, kann sein Stellvertreter in seine Funktion treten.
3) Die Zustimmung zu einem Zirkularbeschluss erfolgt, sofern möglich, schriftlich. Muss die Zustimmung telefonisch abgegeben werden, ist sie aktenkundig zu machen.
4) Zirkularbeschlüsse werden für die nächste Regierungssitzung traktandiert, zur formellen Bestätigung vorgelegt und ins Protokoll aufgenommen.
Art. 22
Protokollierung
1) Der Regierungssekretär hat während der Regierungssitzung die Regierungsbeschlüsse in der von der Regierung beschlossenen Fassung festzuhalten. Nach Abschluss der Regierungssitzung sorgt er für die Ausfertigung des Protokolls. Das Protokoll hat zu enthalten:
a) die Beschlüsse im Wortlaut mit Ausnahme der Berichte und Anträge an den Landtag und der Verordnungen;
b) die Namen der Sitzungsteilnehmer;
c) das Abstimmungsergebnis;
d) Angaben über Ausstand und Ausschluss;
e) von den Sitzungsteilnehmern beantragte Eintragungen und allfällig notwendige Erklärungen.
2) Ein Exemplar des Protokolls ist in der folgenden Regierungssitzung aufzulegen und nach Genehmigung von den Sitzungsteilnehmern zu unterzeichnen. Das von der Regierung genehmigte Protokoll enthält die rechtsverbindliche Fassung der Regierungsbeschlüsse unter Vorbehalt von Art. 23.
3) Jährlich ist eine gebundene Sammlung des Regierungsprotokolls anzulegen. Die Sammlung der Regierungsprotokolle ist nach Weisungen der Regierung sicher aufzubewahren.
Art. 23
Verordnungen, Berichte und Anträge an den Landtag
1) Der Text der Verordnungen wird nicht ins Regierungsprotokoll aufgenommen. Die vom Regierungschef unterzeichnete Fassung bildet die rechtsverbindliche Grundlage für die Publikation im Landesgesetzblatt.
2) Die Anträge an den Landtag werden im Protokoll der Regierung als Beschluss festgehalten. Die Berichte und Anträge an den Landtag werden ausgegeben und darüber hinaus in einer gebundenen Sammlung aufbewahrt.
IV. Ausfertigung und Protokoll
Art. 24
Ausfertigung der Regierungsbeschlüsse
1) Mit der Abfassung des Protokolls hat der Regierungssekretär für die Ausfertigung der Regierungsbeschlüsse zu sorgen.
2) Der Regierungschef unterzeichnet die Originale der Verfügungen und Erlasse. Andere Entscheidungen können statt der Unterschrift den Namen des Regierungschefs in gedruckter Form tragen. In diesen Fällen wird die Übereinstimmung mit dem Protokoll der Regierungssitzung vom Regierungssekretär bestätigt.
Art. 25
Aktenführung und Registrierung
Die Regierung bestimmt, wie Amtsstellen und Ressorts die Akten zu führen haben. Sie legt fest, welche Kennzeichnungen die Akten für die Registrierung in der Regierungsregistratur und im Landesarchiv zu tragen haben.
Art. 26
Regierungsregistratur
1) Sobald die Regierungsbeschlüsse unterzeichnet und versandt sind, werden die Akten an die Regierungsregistratur weitergeleitet. Die Regierung kann Amtsstellen verpflichten, Bestandteile von Regierungsakten aufzubewahren.
2) Die Regierungsregistratur hat für die vorschriftsgemässe Registrierung und Aufbewahrung der Akten zu sorgen.
Art. 27
Aufhebung bisherigen Rechts
Die Geschäftsordnung der Fürstlichen Regierung vom 12. Juli 1965, LGBl. 1965 Nr. 34, wird aufgehoben.
Art. 28
Inkrafttreten
Diese Verordnung tritt am 8. Februar 1994 in Kraft.
Fürstliche Regierung:
gez. Dr. Mario Frick
Fürstlicher Regierungschef
2
Art. 17 Abs. 1 Bst. b abgeändert durch
LGBl. 2011 Nr. 405.